Der Titel ist bereits im März für die PS5 erschienen, doch leider ging er bei der Fülle guter Spiele komplett unter. Ich selbst hatte dieses Spiel schon lange auf dem Schirm und war von der anfänglichen Xbox-Exklusivität enttäuscht. Es ist ja auch ein Spiel aus Österreich, und solche Produktionen sind selten. Einzig Moon Studios fanden internationale Anerkennung mit ihren Ori-Titeln. Glücklicherweise ändert sich das mit dem Erstlingswerk von Microbird Games: Mit „Dungeons of Hinterberg“ bringen sie einen interessanten Mix aus der Zelda-Formel mit einer Prise Persona.
Willkommen in Hinterberg
Übernatürliche Erscheinungen sind in dieser Welt nichts Neues. Dass sich ein Dungeon materialisiert und von Abenteurern geplündert wird, gehört zur Normalität – auch im idyllischen Dorf Hinterberg in den österreichischen Alpen. Ganze 25 Dungeons bietet es und lockt seit drei Jahren zahlreiche Besucher an. Unter anderem auch die Wienerin Luisa, die ihrem Beruf als Anwältin entfliehen will und sich nun als Abenteurerin versucht. Der Empfang ist herzlich und der erste Dungeon scheint keine große Herausforderung zu sein, doch irgendetwas wirkt seltsam. Weitere 24 wollen noch erobert werden, und Luisa findet langsam Gefallen am Dorf und seinen quirligen Bewohnern. Nur die Frau Bürgermeisterin scheint einen eigenen Plan zu haben.
Die Umsetzung der Geschichte ist gelungen, auch wenn man die Wendung schon von Weitem kommen sieht. Doch Luisa ist nicht der Einzige, der sich in diesem Ort verliert. Die quirligen Charaktere tragen zur heimischen Atmosphäre bei, und Interaktionen mit ihnen sind erfrischend. Vielleicht ein wenig zu divers für ein Dorf in den Alpen, aber in der Realität gibt es ja auch keine Dungeons. Als Österreicher versteht man diverse Anspielungen deutlich besser, und man muss schon schmunzeln, wenn ein Charakter von Eismarillenknödel schwärmt. Generell hat man den österreichischen Charme gut eingefangen.
Vom Alb geplagt, vom Percht verfolgt!
Das Spiel gliedert sich in zwei Bereiche. Nachmittags verbringt man Zeit in den Dungeons und kämpft; abends pflegt man soziale Kontakte. Das Kampfsystem ist relativ einfach gehalten: ein leichter und ein schwerer Schwertangriff, dazu drei spezialisierte Angriffe, die man selbst zuweisen darf, und zwei Zaubersprüche, die je nach Region variieren. Bevor es in die Dungeons geht, gilt es, eine von vier Oberwelten zu erkunden – Berg, Wald, Gipfel und Sumpf. Hier warten kleinere Gegnerhorden und Rätsel. Die Gegner setzen sich aus bekannten Fabelwesen der Alpen zusammen. Je nach Klasse können sie über ausgefeilte Magieangriffe verfügen oder einfach zuschlagen. Die Auswahl wirkt divers genug für dieses kurze Abenteuer. Selbst imposante Bosskämpfe sind später zu finden. Beim Erkunden der Oberwelt stößt man gelegentlich auf Sackgassen mit Portalen, durch die man die jeweiligen Dungeons betritt. Am Anfang gibt es Hinweise, ob man das nötige Level hat.
Jedes der 25 Verliese ist nach einem Motto gestaltet und spiegelt das Design der Oberwelt wider. Hier trifft man erneut auf die Gegner der Oberwelt; bei den Rätseln gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Viele Rätsel orientieren sich am jeweiligen Levelnamen und reichen von einfachen Schalterrätseln bis zu optischen Spielereien. Sie sind ein Highlight des Spiels und machen jeden Dungeon-Besuch einzigartig. Allerdings verlieren sie etwas an Reiz, sobald man das Gimmick verstanden hat. Die etwas träge Steuerung trägt ebenfalls dazu bei, dass manche Sprungeinlagen misslingen. Die gut gesetzten Checkpoints trösten darüber hinweg. Das Abschließen der Dungeons bringt nicht nur Schatzkisten mit Ausrüstung und Geld, sondern auch Ansehen – ein wichtiger Wert im Fortschritt, wo die soziale Komponente ins Spiel kommt.
Das idyllische Dorfleben
Zu Beginn eurer Reise trefft ihr auf Alex, die euch die Dorfbewohner vorstellt und ins Dorfleben einführt. Egal ob Abenteurer, Streamer, stiller Einzelkämpfer oder geschäftiger Händler – sie alle erzählen Luisa von ihrem Leben. Statt eines klassischen Skillbaums gibt es Freundschaftsfortschritte: Je mehr Zeit man mit einer Person verbringt, desto mehr Boni, Angriffe oder Ähnliches schaltet man frei. So lernt man nach und nach einen Kombozähler, erhält mehr Magie und Trefferpunkte oder freischaltet neue Möglichkeiten bei der Schmiede. Anstatt einzelner Werte wie Angriff steigt hier die Vertrautheit oder Unterhaltung – was am Ende zum gleichen Ergebnis führt. Durch die Wahl der Bewohner bestimmt man, welche Boni man als Nächstes freischalten will. Diese Aktion dauert einen Abend, danach kommt Luisa wieder ins Zimmer und die Erfahrung wird abgerechnet. Auch wenn der Zähler am Ende des Tages weiterläuft, lässt das Spiel ein entspanntes, eigenes Tempo zu. Es gibt keinerlei Zeitdruck. So ergibt sich ein ruhiger Ablauf zwischen Oberwelt-Erkundung, Dungeons und dem abendlichen Treiben. Man wächst organisch an Stärke, während man die Geheimnisse des Städtchens und der Welt entdeckt.
Neben diesem System gibt es Schwerter und Rüstungsteile zu kaufen, die die Kampfkraft steigern. Amulette bieten weitere Boni. Im Verlauf des Spiels schaltet man weitere Möglichkeiten frei, Amulette, Rüstungen und Schwerter zu modifizieren. Das System ist zwar bekannt, wird aber gut in die Handlung integriert und wirkt dadurch sehr natürlich.
Comicschraffur in den Alpen
Grafisch setzt man auf einen Comic-Stil mit starker Schraffur. Wer möchte, kann im Menü die Schraffur abschalten oder sogar die Kamera weiter herausziehen. Selbst ein Performance- und Grafikmodus ist vorhanden. Unterschiede zwischen den Modi fallen eher gering aus, das Spiel läuft stabil und fehlerfrei. Das Dorf-Design wirkt natürlich und authentisch, von der Après-Ski-Bar bis zum gescheiterten Bauprojekt findet man alle Klischees. Auch die Oberwelten treffen den Charakter gut – bis auf die Sumpflandschaft, die nicht ganz organisch in die Alpenwelt passt. Was den Ton betrifft, hat jede Welt ihr eigenes Thema, sticht aber nie besonders hervor. Eine gesprochene Vertonung gibt es hier nicht; wie bei vielen Indies bleibt es bei deutschen (österreichischen) Untertiteln. Akustisch gelingt es jedoch, die Atmosphäre der Welten gut einzufangen.
Der zeitliche Unterschied
Wie erwähnt erschien das Spiel zuerst auf der Xbox, danach folgte die Weiterentwicklung, und die PlayStation-Version bildet den Abschluss. Im Laufe der Zeit kam ein New Game+ hinzu, außerdem Fotomodus und eine Bonusepisode. Die Entwicklung des Spiels ist abgeschlossen, und man findet nun die finale Version vor.
FAZIT:
Ich ärgere mich, dieses Spiel im März verpasst zu haben, und freue mich, es nun nachzuholen. Microbird Games liefert ein solides Erstlingswerk ab, das zu Recht hohe internationale Wertungen verdient hat. Klar ist es eine kleine Produktion, an einigen Stellen merkt man den Feinschliff, oder auch das Fehlen desselben. Gegen Ende werden die Kämpfe etwas zu leicht, und die Steuerung kann gelegentlich hackelig wirken. Die Handlung bleibt vorhersehbar, doch das Szenario ist überzeugend umgesetzt. Es hat diesen charmanten Feel-Good-Vibe, nicht zuletzt dank der kreativen Dungeons und der atmosphärischen Dorfbewohner-Geschichten. Durch den fehlenden Zeitdruck entspannt sich das Erlebnis, und am Ende soll Luisa nicht nur einen Urlaub erleben. Besiegt man den letzten Boss und läuft der Abspann, heißt es im Abspann, man möge das Spiel weiterempfehlen, wenn man Spaß hatte. Liebes Team von Microbird Games, die Aufgabe ist erfüllt.
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